Gustavo Dudamel soll bei der telefonischen Anfrage, ob er das Neujahrskonzert 2017 dirigieren wolle, mit einem Freudenschrei geantwortet haben. Die Freude daran war ihm bei der Übertragung auch anzusehen, das musikalische Ergebnis fiel weniger erfreulich aus.
Allein die Körperhaltung und die Mienen der Philharmoniker sagen immer eine Menge aus: nichts war da zu sehen von der freudigen Anspannung und dem Sitzen „am Spriss´l“ der Orchesterstühle wie man in Wien sagt (sitting on the edges of their seats). – Die Philharmoniker saßen heuer tief und gelassen in ihren Sesseln und spulten ein wenig mitreißendes Programm professionell herunter. Auch ein Lächeln oder gar ein Ausdruck der Erfüllung und musikalischer Seligkeit war kaum wo zu sehen. Wenn diese bereits vielfach erprobte Beziehung zwischen Dirigent und Orchester tatsächlich eine Liebesbeziehung sein soll, dann sieht es eher nach einer Zweckgemeinschaft, im besten Fall aber nach einer emotionalen Einbahnstraße aus… Echte Chemie ist da nicht zu spüren, zumindest nicht, was den musikalischen output betrifft – aber die Bank-Konten liefern vielleicht überzeugendere Argumente. Man sehe sich im Gegensatz dazu die Verbundenheit, das gegenseitige Verständnis und die feine elektrische Spannung zwischen dem Musikern unter Carlos Kleiber an.
Auch musikalisch klang dieses Konzert weniger nach einem schelmischen Lächeln mit Augenzwinkern, sondern mehr nach einem breiten Grinsen. Was an pulsierender Spritzigkeit, federnder Eleganz und bezwingendem Charme fehlte wurde durch Gefälligkeit, Schmiss, Fülle, Lautstärke und Dirigenten-Show kompensiert. Dudamel fehlt ein echtes Verständnis für diese Musik, was er nachempfindet sind Klischées und Plattitüden; einen echten, eigenen, persönlichen Zugang findet er keinen. Begeisterung und Enthusiasmus alleine sind keine Qualitätsmerkmale. In der charmanten „ Tik-Tak Polka“ etwa, einem charmanten Potpourrie aus der „Fledermaus“, killt er jede Ponte und hastet rastlos und geradezu polternd durch die Musik. Die Auswahl der Stücke ist zum größten Teil eher unbekannten Stücken gewidmet. Zumindest hier und da einen großen Walzer oder charmante kleine Juwelen wie “Im Krapfenwaldl”, “Moulinet”, “Die Libelle”, die “Jockey Polka”, “Feuerfest” oder den “Vergnügungszug” hätte man einbauen können. Stattdessen sucht man zum überwiegenden Teil Raritäten, bei denen man in keinem großen Vergleich gemessen und verglichen werden kann. Dort wo ein knalliger Schlussakkord ein Stück abschloss gab es dankbaren Applaus, sonst waren die Publikumsreaktionen auf eine eher wenig bekannte Repertoire-Auswahl recht verhalten und gehorsam. Tiefpunkt und symbolisch für das ganze Konzert waren für mich die Lehár und Suppé Ouvertüren: opernhaft aufgebläht und behäbig, Effekte auskostend und Feinheiten plattwalzend. Der Donauwalzer, der heuer das 150. Jahr seiner UA feiert, hinterließ an keiner Stelle, in keiner Phrase einen bleibenden Eindruck oder neue Erkenntnisse. Was den Show und Medien-Effekt betrifft, scheint Dudamel vom Standpunkt der Wiener Philharmoniker eine nachvollziehbare Wahl gewesen zu sein. Musikalischer Tiefgang scheint mehr und mehr ein Luxus-Problem zu werden. Der Dirigent hatte jedenfalls sichtlich seinen Spaß, ein prestigeträchtigen Eintrag in seinem Portfolio und wird dem Orchester wohl auch in Zukunft für gemeinsame Projekte gewogen bleiben und damit Medienwirksamkeit garantieren. Und die Musik…? Nebensache. Eine Hand wäscht die andere. – Business as usual.
Scusatemi , ma non so il tedesco… potreste mica approntare una traduzione’
Grazie!