Ascolti comparati: “Meine Lippen, sie küssen so heiß” (Giuditta)

Lehár und seine Librettisten haben bei „Giuditta“ den Versuch unternommen, die Operette mit Elementen der Oper zu verbinden. Das Ergebnis ist weder das eine oder das Andere, sondern eine Art Zwitterwesen. Inklusive KEIN Happy-End und viele Anklänge an Melodien von Puccini. In dem Maße, wie Lehár sich zeitlebens um eine Aufführung seiner Werke in der Wiener Staatsoper bemüht hatte, um seine Bühnenwerke zu „adeln“, so sträubte sich der Operndirektor, Clemens Krauss, 1934 gegen eine Uraufführung von „Giuditta“ an der Wiener Staatsoper. Vergeblich, denn auch damals galt schon: „Geld stinkt nicht“ – und einem „box-office“-hit, wie es „Giuditta“ auch wurde, konnte man sich auch damals nicht verweigern…
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Am 20. Jänner 1934 fand die Uraufführung unter der Leitung von Lehár mit Jarmila Novotna und Richard Tauber statt. Auch in seinem letzten Bühnenwerk sind Lehár eine Fülle schöner Melodien eingefallen: vor allem Octavios Arie Freunde, das Leben ist lebenswert, die Arie der Titelheldin Meine Lippen, sie küssen so heiß und das Duett Schön, wie die blaue Sommernacht.
Besonders seit Anna Netrebko beim Opernball 2004 mit der Arie (und ihrem roten Kleid) Furore gemacht hatte, scheinen sich junge, sexy Sopranistinnen bei Konzerten gerne zu der Arie auf der Bühne zu räkeln.

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Auch Sonya Yoncheva nützt die Arie, um vor allem sich selbst zu inszenieren. Seit ihrem Sieg beim Operalia Wettbewerb 2010 ist sie weltweit gefragt – eine full speed Karriere. Bisher eher im lyrischen bzw Koloratur Repertoire Hause, hat sie mit Desdemona an der Met anscheinend bereits nach 4-5 Jahren neue Wege eingeschlagen. Noch in der Nacht nach der letzten Otello-Vorstellung ist sie zu einem Auftritt bei der Echo-Verleihung in Deutschland geflogen. Die darauffolgende „Elisir d´amore“ Serie in Wien hat sie abgesagt. Wenn man sich die Ausschnitte von der Met anhört, kann man ahnen, warum… Die Lehár Arie nimmt sie sehr breit – zu breit – phrasiert auch breit (auch weil sie über die deutsche Sprache ein wenig stoplert). Durch die breite Phrasierung und die undeutliche Aussprache zieht sich das Ganze endlos „wie ein Strud´lteig“, wie man in Wien sagt. Die Arie läuft aus der Form, verliert ihre Struktur und ihre musikalische Spannkraft. Die schon von Natur aus eher üppige, lyrische Stimme läuft durch übermäßige Breite aus dem Fokus: sowohl in der tieferen Lage als auch in der über Gebühr voll ausgesungenen Höhe. Zuviel Gewicht auf den Stimmbändern, kaum etwas davon in der Phrasierung. Hört man stattdessen Jarmila Novotna, die stimmlich und musikalisch viel versammelter und klanglich konzentrierter klingt, wird die Musik um Vieles erträglicher. Hier unterschwellig, geheimnisvoll glühende Erotik – dort unverhüllte, vordergründige Selbstdarstellung ohne musikalische Feinheiten. Novotna war sicher keine von Mutter Natur reich beschenkte Sängerin, aber sie hatte Köpfchen und konnte mit ihrer Stimme hervorragend umgehen und haushalten ohne den Eindruck zu erwecken, damit zu sparen. Wie sehr fehlen die Novotnas in der von Yonchevas dominierten aktuellen Opernwelt.

In einem deutschsprachigen Musikforum wird ihr glasklares und sauberes Italienisch gelobt. Der deutsche Musikkritiker, Manuel Brug schwadronierte in seiner Kritik anläßlich ihrer Berliner Traviata schwammig über „orphisch anrührende Grundstimmungen im Timbre“ und „über Strahlen nach außen und Brennen nach Innen“ (die Mühe, anhand von Beispielen wirklich konkret zu werden, macht er sich selten). Er bezeichnet sie sogar als „die beste Violetta seit Maria Callas“….
Unwissendes Publikum und selbstgefällige Kritiker, die viel schreiben und nichts sagen: So werden heute Stars gemacht.

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