Jonas Kaufmann: “Du bist die Welt für mich” CD

kaufmann CD

1. Gern hab ich die Frau’n geküsst (Paganini)

2. Irgendwo auf der Welt (Ein blonder Traum)

3. Du bist die Welt für mich (Der singende Traum)

4. Hab’ ein blaues Himmelbett (Frasquita)

5. Im Traum hast Du mir alles erlaubt (Liebeskommando)

6. Grüß mir mein Wien (Gräfin Mariza)

7. Dein ist mein ganzes Herz! (Das Land des Lächelns)

8. Ein Lied geht um die Welt (Ein Lied geht um die Welt)

9. Freunde, das Leben ist lebenswert! (Giuditta)

10. Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände (Victoria und ihr Husar)

11. Es muss was Wunderbares sein (Im weissen Rössl)

12. Diwanpüppchen (Die Blume von Hawaii)

13. Frag nicht, warum ich gehe (Das Lied ist aus)

14. Heute Nacht oder nie (Das Lied einer Nacht)

15. Das Lied vom Leben des Schrenk (Die große Sünderin)

16. Glück, das mir verblieb (Die tote Stadt)

Die Operette ist wieder en vogue so scheint es. Oder anders: „retro“ ist immer noch in bzw. den Plattenbranche gehen die Ideen aus. Zumindest bei den Tenören. Nach Joseph Callejas Hommage an Mario Lanza und jener von Piotr Beczala an Richard Tauber ist jetzt Jonas Kaufmann dran. Er legt einen Misch-Masch aus viel Lehár und ein paar flotten (Film)Schlagern und als Exoten in dieser Zusammenstellung, den „Hit“ aus Korngolds „Die tote Stadt“ vor. Weniger Operetten-Evergreen-Album als Konzeptalbum sollte diese CD werden: der gesteckte Zeitrahmen liegt zwischen 1925 bis 1935, die Ära der silbernen Operette bzw. gegen deren Ende beinahe schon in Richtung Revuen oder Musicals. Die „Silberne Operette“ verkörperte jene Komponisten- Generation, die auf die Strauß- Dynastie folgte. Emmerich Kálmán, Robert Stolz, Paul Abraham und Ralph Benatzky etwa mussten während der Nazi-Zeit emigrieren, genauso wie Mischa Spoliansky und Werner Richard Heymann. Einzig Franz Lehár war mächtig genug, um mit seiner jüdischen Ehefrau in Österreich zu bleiben. So willkürlich zusammengestoppelt das Programm ist, so unausgegoren sind manche von Kaufmanns Interpretationen. Man hört, das Genre ist ihm natürlich nicht fremd. Trotzdem wirken etliche Titel doch nicht viel mehr als nur sehr engagiert herunter gesungen. Als wäre er schnell zwischen einem Engagement und einer Pressekonferenz kurz mal ins Plattenstudio gehuscht. Und so war es wahrscheinlich auch…..

Von den stimmlichen Voraussetzungen würde man Piotr Beczala, der erst kürzlich eine Operetten-Hommage an Richard Tauber vorgelegt hat, diesem Repertoire näher vermuten als Jonas Kaufmann. Ich muss zugeben, dass mich manchmal sogar das Gefühl beschlichen hat, Beczala wäre im Grunde ein überdimensionierter Operetten-Sänger (im allerbesten Sinne!). Was er aber an Timbre und den Schmelz hat, fehlt ihm an gesanglicher Leichtigkeit und Finesse. Er würgt und stemmt sich mit technischen Mängeln vor durch die CD. Vor allem in der Übergangslage hat er schlimme Mängel. Im Grunde müsste man sagen, Beczalas CD ist eher ein Hommage an Fritz Wunderlich (oder in weiterer Folge an Rudolf Schock) als an Tauber. Wie Wunderlich singt er mit Temperament, prachtvollem Timbre und vor allem – dieser Begriff fällt im Zusammenhang mit Wunderlich am Häufigsten – Natürlichkeit. Er „singt auf Timbre“ wie man hier sagt, er begnügt sich hauptsächlich damit, die Stimme strömen zu lassen und Musik und Stimme für sich selbst sprechen zu lassen. Und er lässt stimmlich mehr Muskeln spielen als echtes Einfühlungsvermögen zu zeigen.

Hält sich Beczala also mehr an Wunderlich, so orientiert sich Kaufmann überraschenderweise – bei allen stimmlichen und stilistischen Unterschieden! – an Richard Tauber. Im direkten Vergleich mit Tauber hat man beim Hören allerdings das Gefühl, Kaufmann sprenge mit seiner Stimme den Rahmen. Nicht weil die Stimme zu „groß“ ist (so groß ist sie nämlich gar nicht), sondern weil sein Gesang ungelenk und im Grunde steif ist. Dem Sänger mangelt es an stimmlicher Geschmeidigkeit, Beweglichkeit und Flexibilität (Tribut an die schweren Rollen) und vor allem an der unbedingt nötigen Leichtfüßigkeit für dieses Repertoire. Wo es ihm an gesanglichem Einfallsreichtum fehlt rettet er sich in Schluchzen und Kicksen. Ihm fehlen die Nonchalance und die überwältigende Gestaltungskunst eines Taubers, die bezwingende und rührende Schlichtheit eines Julius Patzak, der stimmliche Biss von Rosvaenge, die Substanz und Kompaktheit Völkers und die gesangliche Finesse eines großen Sängers wie Joseph Schmidt. Die heimliche Träne, die ergreifende Wehmut, die Schlichtheit und das „understatement“, die, wenn sie überzeugend (nach)empfunden werden, oft eine umso größere Wirkung erzielen – das alles fehlt oder ist nur im Ansatz vorhanden. Gerade das „Kleine“, das „Leichte“ ist oft so schwierig: Rührung erzeugen – ohne rührselig zu sein, Schlichtheit vermitteln – ohne dass es gewollt und gemacht klingt. Die Stimme zurückzunehmen, zu reduzieren ohne leichtgewichtig oder allzu sehr wie ein „Crooner“ zu klingen, sondern die Stimme dabei dicht, kompakt und beweglich halten; sie „auf den Punkt“ zu bringen, spritzig zu sein und die Spannung zu halten. – Alles Dinge, die man nicht mit Jonas Kaufmann verbindet.

Und doch: misst man Kaufmann an Kaufmann und nicht an Richard Tauber, macht er seine Sache hier überraschend gut. Er versucht die Stimme leicht zu machen und zu halten. Das gelingt manchmal, meistens verfällt er dabei ins Falsettieren, Vieles ist reine Kopfstimme  –  dennoch hat man den bezwingenden Eindruck, DAS hier sei der „echte“ oder zumindest der „echtere“ Jonas Kaufmann und nicht der stemmende und würgende Kaufmann in den schweren Verdi-Rollen. Der Mann kann auf einmal singen, da kann die Stimme auf einmal natürlich fließen und klingen. Man staunt, dass sie das nach der starken Beanspruchung in den letzten Jahren überhaupt noch kann… Allerdings klingt sie trotzdem ein wenig „gehalten“ und das piano und mezza voce ist nicht wirklich voll und kompakt und vor allem „dicht“. Bedenken sollte man auch, dass das, was an piani hier im Studio recht gut klingt, live im Haus größtenteils untergehen würde… Wenn er in der Operette in der „kleinen“ Form bleibt und nicht versucht, daraus große Oper (wie in „Die große Sünderin“) zu machen, klingt Kaufmann stellenweise durchaus überzeugend: mit Abstand am besten gelungen sind „Gern´ hab´ ich die Frau´n geküsst“ (Paganini), „Hab´ ein blaues Himmelbett“ (Frasquita) und „Grüß´ mir mein Wien“ (Gräfin Mariza). Schon das Land des Lächelns überzeugt nicht mehr.  Schon in der zweiten Hälfte von „Ein Lied geht um die Welt“ bekommt man wieder den „alten“ Kaufmann zu hören. Sobald er voll aussingt, ins „opernhafte“ geht und Gewicht auf die Stimme legt wird sie kehlig,  unschön, unrund, grobkörnig und eintönig. Auch „Freunde, das Leben ist lebenswert“ verleitet natürlich zu Stimm-Protzerei. Die „Großen Sünderin“ holt einen dann endgültig auf den Boden zurück. Hier sind wieder die üblichen Kaufmann-Unarten zu hören. Kopfiges Säuseln oder kehliges forte – dazwischen gibt es so gut wie Nichts…

Egal, wo man auf der CD einsteigt – nach drei bis vier Titeln wird Kaufmann recht eintönig. Wenig an Variationen – auch zwischen erster und zweiter Strophe. Da fehlt es an Einfallsreichtum und gesanglicher Phantasie, um die Aufmerksamkeit des Hörers auf längere Dauer zu fesseln. Die Selbstverständlichkeit für dieses Genre fehlt (so wie sie ein Julius Patzak für Strauss und Millöcker oder Tauber für Lehár und ,Kalmán hatten) – das spürt man. Ihm fehlt das Selbstverständnis für die Sprache der Operette Bei etlichen Texten – vor allem jenen in der zweiten Hälfte des Programmes – kann man gut nachvollziehen, dass sich da Einiges in ihm dagegen sperrt… Das meistert er zwar mit Anstand, aber beim Diwan-Püppchen etwa fehlt ihm der letzte Rest an „Schamlosigkeit“…

Die Arrangements sind mit Ausnahme von „Victoria und ihr Husar“ fast alle geschmackvoll und überzeugend gelungen: nicht aufgebauscht, nicht „überkandidelt“ oder kitschig oder im Hollywood Breitwand Sound-Stil. Die Sopranistin Julia Kleiter, die in den Duetten als Partnerin von Kaufmann fungiert, ist brav, korrekt und rollendeckend – aber nicht mehr. Alles in allem hat Jonas Kaufmann diesen Ausflug in die Welt der Operette nicht überzeugend, aber clever und mit überraschendem Anstand bewältigt. Die Marketing-Maschine läuft jedenfalls und eine Promotion-Tournee ist schon geplant. Auch das Veröffentlichungsdatum ist wohl mit Bedacht gewählt: vor Weihnachten wir die CD mit Sicherheit ein Bestseller.

Zum Abschluss noch eine handvoll Hörproben, die mehr sagen als tausend Worte: die erste von Patzak zum Wesen und der Essenz der Operette, die weder große Stimmen, noch große Gesten braucht, sondern Charme, Fingerspitzengefühl und ein Augenzwinkern. Tauber als unerreichte Messlatte, Völker als Beispiel, wie auch ein Wagner-Sänger in Operette “tanzen” kann, “Glück, das mir verblieb” als ein Meilenstein in der Tonträger-Geschichte: unter dem Dirigat von George Szell machten Tauber und Lotte Lehmann diese Aufnahme fünf Tage nach der gemeinsamen Uraufführung von Korngold´s „Toter Stadt“ in Berlin. Eine Aufnahme, die an Inspiration und Intensität kaum übertroffen wird.

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6 pensieri su “Jonas Kaufmann: “Du bist die Welt für mich” CD

  1. Non solo voce orribile e tecnica dilettantesca . Qui manca tutto quello che richiederebbe il repertorio dell’operetta viennese : facilità , gusto , raffinatezza, brillantezza ecc ecc.

    Buon anno a tutti.

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