Groß angekündigt als erster Puccini bei den Salzburger Fesstspielen beginnt das Missverständnis bereits im Vorfeld – Puccini gab es bei den Oster-Festspielen unter Karajan (Bohème) und 2002 mit Turandot. Eine Bohème, die im Vorfeld mit großen Namen und der „coolen“ Regie von Damiano Michieletto für viel Wind sorgte. Nicht halb soviel Stimmung, wie vor dieser Premiere gemacht wurde, war am Abend selbst im Publikum zu spüren. Und wenn bei einer Bohème keine Stimmung aufkommt – wo dann?
Anna Netrebko, die vor der Premiere öffentlich Zweifel äußerte, ob sie sich im Alter von 40+ als Punk-girl nicht lächerlich machen würde, wirkte unmotiviert, unkonzentriert (bei Arie im ersten Bild bleibt ihr aus Unachtsamkeit und zu ihrem großen Schrecken bei „i fior ch´io faccio, ahimè“ in der Mittellage ein Ton stecken) und musikalisch nicht optimal vorbereitet. Da die Mimì eine ihrer zentralen Partien ist, dürfte man wesentlich mehr Detail-Genauigkeit voraussetzen und weniger Schlampigkeit erwarten. Ihre Arie begann sie mit dem Rücken zum Publikum – was (Absicht des Regisseurs oder Protest- Reaktion der Diva?) beinahe als Zeichen gelten durfte. Stimmlich klingt mittlerweile wirklich, als sänge sie ständig mit vollem Mund, auch eine zunehmende Kurzatmigkeit ist auffallend. Die Stimme sitzt derart weit hinten, dass sie stellenweise an ihrer eigenen Stimme zu ersticken droht. Anfänglich klingt die Stimme belegt, insgesamt ist sie schrecklich behäbig und hat ausgenommen die hohe Mittellage wenn sie voll aussingt wenig Spannung – fast als hätte sie Bleikugeln an den Stimmbändern. Textlich reduziert sich so gut wie alles auf aaaa und ooo.
Beczala klingt besser und etwas frischer. Schon am Ende des ersten Bildes aber beginnt er monoton zu wirken. Mit zu viel Kraft und zu offen singt er und immer mit voller Stimme, die im übrigen keinen optimalen Stimmsitz hat. Im mezza voce oder piano spricht sie nicht optimal an – ein ernstes Warnzeichen. Auch in der Übergangslage, im passaggio, ist er gefährdet. Er treibt mit Kraft die Mittellage zu sehr in die Höhe, statt sie Übergangslage schlanker zu halten. Seine Arie klingt nicht zuletzt durch die lähmenden tempi des Dirigenten merkwürdig gequält und angestrengt. Möglicherweise war er gesundheitlich bereits beeinträchtigt (den Gesangs-Part für die zweite Vorstellung übernahm Jonas Kaufmann, die vom 7. sang Marcello Giordani) – diese Art zu singen ist für jedenfalls auch für eine gesunde Stimme ungesund.
Sehr auffällig ist, wie laut da von allen gesungen, beinahe schon gebrüllt, wurde. Auch Marcello (Massimo Cavalletti) ist vor allem laut, der Schaunard (Alessio Arduini) klingt besser und differenzierter und ist beinahe erfrischend. Carlo Colombara wirkt fast dilettantisch, die Mantelarie erbärmlich. Madame Machaidze hat mittlerweile eine alte Stimme in einem jungen Körper. Die Stimme ist in der Höhe kurz geworden, sie ist schrill oder „scheppert“ und mit der tessitura der Musetta hat sie ihre liebe Not. Unvorstellbar, wie diese Sängerin noch vor wenigen Jahren eine Juliette gesungen haben soll.
Dass in dieser Aufführung wenig Stimmung aufkommen mag, dafür zeichnet sich im musikalischen Teil Daniele Gatti verantwortlich. Laut und langsam. Zu breiig und zerdehnt klingt diese Bohème. An musikalischer Genauigkeit wäre auch noch wesentlich mehr drinnen gewesen. – Der Chor im zweiten Akt etwa verselbständigt sich auch immer wieder. Auf seine Sänger, die alle viel zu kräfteraubend singen und die auch ohne die gedehnten tempi mit Kurzatmigkeit zu kämpfen haben, nimmt er nicht allzu viel Rücksicht.
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und zwei große Namen und eine „aufsehenerregende“ Regie noch keine gelungene Aufführung. Musikalisch ist diese Produktion weder in sich geschlossen noch ausgereift und Michielettos aktualisierte Sichtweise bleibt konventionell und wenig zündend. Dass sich im Punk Milieu etwa Mimì von ihrem Nachbarn Rodolfo Feuer für ihren Joint holt ist aus Michielettos Blickwinkel plausibel, nimmt dem Auftritt von Mimì, die sich hier beinahe unbemerkt schlurfend hereinschleicht, aber jeden Zauber und alle Poesie.
Nicht mehr als schwacher Höflichkeits-Applaus nach beiden Arien im ersten Bild und auch generell nach jeder Szene. Am Ende kurze heftige Begeisterung. Beinahe schon rührend wirkt unsere betuliche Dame vom ORF, die den Zusehern mittlerweile bei jeder Übertragung „großen Jubel“ und „Begeisterungsstürme“ vermitteln will.
Eine seelenlose Produktion – szenisch wie musikalisch.
http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/kultur/festspiele/3081476/la-boheme.story
http://diepresse.com/home/kultur/news/1274400/Anna-Netrebkos-Salzburger-PucciniAlleingang
20:40 Che gelida manina
Mi chiamano Mimi
O soave fanciulla
Quando m´en vo
Finale
Ick kann absolut zustimmen. Das ist gut um dementieren die komische Gattis und Netrebkos Fans die haben von “enthusiastische Rezensionen” auf verschiedene Forum phantasiert…einfach Quatsch!
Sicher haben Pereira und Lissner die selbe Schule besucht: Geld statt Ideen, Fernsehstars statt Sänger, MARKETING STATT KUNST!!!!
Manager und Marketing haben das Sagen – die Musik ist nur mehr Mittel zum Zweck.